Weltweit überarbeiten zahlreiche Forschungsorganisationen – darunter Förderinstitutionen, Universitäten und Forschungsinstitute – die Methoden, mit denen Forschung bewertet wird. Im Zuge dieser Reformen werden narrative Lebensläufe oder deren Elemente in Bewerbungsverfahren eingeführt, um die traditionellen, aufgelisteten Lebensläufe abzulösen, die den Fokus häufig auf Produktivitätskennzahlen wie die Anzahl der Zitationen in Fachzeitschriften oder die Höhe der eingeworbenen Drittmittel legen. Solche Kennzahlen haben sich als unzureichend erwiesen, um die Forschungsleistung einer Person ganzheitlich zu bewerten oder belastbare Rückschlüsse auf die Qualität oder die praktischen Auswirkungen der Arbeit zu ziehen. Narrative Lebensläufe orientieren sich an internationalen Empfehlungen wie denen der Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA), der Declaration on Research Assessment (DORA) oder Science Europe.
Das Ziel von narrativen Lebensläufen besteht darin, Forschungsbewertungen und Auswahlverfahren gerechter zu gestalten, die heutige Forschungspraxis besser abzubilden und die Vielfalt wissenschaftlicher Aktivitäten und Beiträge sowie die praktischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der (biomedizinischen) Forschung stärker sichtbar zu machen und zu würdigen.
Zu den Institutionen, die narrative Lebenslaufelemente bereits eingeführt haben oder derzeit dabei sind, diese einzuführen, zählen European Research Council (ERC), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der Luxembourg Nationale Research Fund (FNR), die Royal Society (UK), der Schweizerische Nationalfonds (SNF), die National Institutes of Health (NIH), die Yale School of Medicine, die Charité – Universitätsmedizin Berlin und viele weitere.
Verschiedene Institutionen haben eigene Vorlagen für narrative Lebensläufe entwickelt. Während rein narrative Lebensläufe den Bewerbern viel kreative Freiheit bieten, können sie für Gutachter schwer vergleichbar sein, insbesondere wenn klare Strukturen und Anleitungen zu den gewünschten Inhalten fehlen. Ähnlich wie der Schweizerische Nationalfonds oder die Universität Glasgow kombiniert der MERIT Structured Narrative CV Builder qualitative und quantitative Kriterien in einem strukturierten, hybriden Format. Dieser Ansatz integriert qualitäts- und wirkungsorientierte Aspekte neben traditionellen Produktivitätskennzahlen und bietet so eine mehrdimensionale Perspektive, die die Leistungen der Bewerber besser kontextualisiert.
Der strukturierte narrative MERIT-Lebenslauf ermöglicht Forschenden, die Vielfalt ihrer Forschungsergebnisse und -aktivitäten in ihrem Fachgebiet hervorzuheben, ihre Arbeit kritisch zu reflektieren und ihre Beiträge zu Wissenschaft und Gesellschaft einzuordnen. Das strukturierte Format wird durch klare Anleitungen und Zeichenbegrenzungen unterstützt, was nicht nur den Bewerbern, sondern auch den Gutachtern zugutekommt, indem es einen leichteren Vergleich zwischen Bewerbungen ermöglicht und tiefere Einblicke in die Leistungen der Forschenden bietet.
Dieses strukturierte Format fördert nicht nur die Fairness im Bewerbungsverfahren durch erhöhte Transparenz, sondern reduziert auch potenzielle Verzerrungen in der Bewertung durch Gutachter*innen.
Der MERIT-Lebenslauf wurde auf Basis einer umfassenden Bedarfsanalyse und Evaluierung innerhalb der Charité und des BIH entwickelt. Dabei wurden Anforderungen und Rückmeldungen von verschiedenen Interessengruppen und Nutzern – einschließlich Bewerber, Gutachter und Wissenschaftsmanager – berücksichtigt. Obwohl einige Anforderungen spezifisch für den biomedizinischen Bereich oder die Lebenswissenschaften sind, sind die meisten Elemente auch für andere Disziplinen relevant.
MERIT-CV Nutzer*innen können frei entscheiden welche Kriterien relevant für sind und so einen individuellen, strukturierten, narrativen Lebenslauf im PDF- oder MS-Word-Format erstellen, der sich problemlos für zukünftige Bewerbungen wiederverwenden oder ergänzen lässt.
Der MERIT-Lebenslauf umfasst acht Hauptkriterien (siehe Abbildung) sowie ein zusätzliches Feld, in dem Nutzer*innen relevante Informationen ergänzen können, die nicht explizit abgefragt werden. Jedes Kriterium wird durch mehrere Indikatoren ergänzt, die den Leser*innen sowohl Informationen als auch den notwendigen Kontext bieten. Während einige Indikatoren kurze narrative Beschreibungen erfordern, basieren andere auf traditionellen Auflistungen.
Bewerber*innen haben die Flexibilität, selbst zu entscheiden, welche Abschnitte sie ausfüllen und in ihren Lebenslauf aufnehmen möchten. Dadurch können sie das Dokument so gestalten, dass es ihre Leistungen und Aktivitäten optimal hervorhebt und an die spezifischen Anforderungen ihres Fachgebiets oder der jeweiligen Ausschreibung anpasst.
Wir alle haben, oft unbewusst, Vorurteile gegenüber anderen oder in unseren Beurteilungen (bekannt als unbewusste oder implizite Vorurteile). Diese Vorurteile beeinflussen, wie wir Entscheidungen treffen und Optionen bewerten – meist, ohne es bewusst wahrzunehmen. Auch wenn Voreingenommenheit nicht immer zu schlechteren Entscheidungen führt, zeigt sich insbesondere in Kontexten wie Einstellungen, Förderentscheidungen oder der Zuweisung von Mitteln, dass sie häufig zu unfairen Bewertungen führt. Dies kann die Fairness beeinträchtigen und die Verfolgung qualitäts- oder leistungsorientierter Ziele erschweren.
Häufige Formen unbewusster Voreingenommenheit sind:
Das Bewusstsein für solche Mechanismen ist ein erster Schritt, um deren negative Auswirkungen zu reduzieren und Entscheidungen gerechter sowie objektiver zu gestalten.
Das Video hier verlinkte Video informiert in knapp 8 Minuten über häufige Formen von (unbewusstem) Bias bei der Rekrutierung.
https://www.youtube.com/watch?v=g978T58gELo
Zum Thema Chancengleichheit in Berufungsverfahren bietet die TU Berlin ein Unconscious Bias Training an (Dauer 40-60 Minuten), das über folgenden Link abrufbar ist: https://www.tu.berlin/stabbk/berufungsstrategie/berufungsstrategie/unconscious-bias/chancengleichheit-in-berufungsverfahren-ein-unconscious-bias-training:
Ein Unconscious Bias Training wird ebenso von der Universität Konstanz angeboten (Dauer ca. 2h). In diesem von Dr. Sebastian Tillmann et al. entwickelten Selbstlerntool (https://www.uni-konstanz.de/unconscious-bias-tool/#/) können Sie sich
Autorin: Miriam Kip (2025)
CC BY-NC-ND 4.0